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Das Spiel mit dem Unerwarteten

Wie wir auf dem Titel Aufmerksamkeit für relevante Themen schaffen.

Von Timm Klotzek

Ich gebe gerne zu, dass ich etwas befangen bin in dieser Angelegenheit, aber ich halte den Job, als Chefredakteur des SZ-Magazins arbeiten zu können, tatsächlich für das Großartigste, was es im deutschsprachigen Journalismus zu vergeben gibt. Zum einen ist es natürlich das familiäre Umfeld – es ist immer wieder aufs Neue ein großer Spaß und eine große Ehre, Teil der Markenfamilie der Süddeutschen Zeitung zu sein, gedruckt mit einem relativ langsamen Wochen-Magazin eingepackt zu werden in eine schnelle Tageszeitung. Und digital klug involviert zu sein in die Homepage-Planung einer rasend schnellen Website.

Innerhalb des Magazins ist da natürlich die große Abwechslung, mal die große, investigative Recherche, mal ein opulentes Modeheft. Mal eine Sozial-Reportage und mal ein Interview aus der Hochkultur, dazu die wöchentlichen Rubriken wie „Sagen Sie jetzt nichts“ oder den Getränkemarkt, ich finde es niemals langweilig zu überlegen, womit wir die Leserinnen und Leser des SZ-Magazins in der Folgewoche überraschen wollen. Und natürlich ist in den letzten Jahren auch immer mehr digitale Arbeit in meinen Alltag getreten, es gibt vom SZ-Magazin sechs wöchentliche Newsletter mit Pay-Inhalten, wir haben riesengroße Reichweiten in den sozialen Medien und produzieren sehr erfolgreich Podcasts.

Aber eine ganz altmodische Tätigkeit macht ganz besonders Spaß, die Auswahl des Covers und das Betexten dieser Titel-Seite. Die Freiheit, die wir dabei genießen, müssen wir uns Woche für Woche aufs Neue verdienen, denn wenn man alles machen kann, dann sollte es natürlich besonders gut sein. Der Vorteil des SZ-Magazins ist, dass wir entschieden und manchmal sogar radikal sein können, dass wir immer mit nur einem Thema auf dem Titel erscheinen, dass wir voraussetzen können, dass unsere Leserinnen und Leser klug und kreativ sind, und dass manche Idee eben auch erst auf den zweiten Blick verstanden und gewürdigt wird. Andere Magazine, die sich direkt am Kiosk verkaufen müssen, wählen oft eine weniger fantasie­volle Umsetzung des Titelbildes – ob dies die richtige Strategie ist oder nicht, ist vielleicht mal ein ganz anderes Thema …

Zurück zum SZ-Magazin und dem vielleicht im besten Sinne merkwürdigsten Cover, das wir je gemacht haben. Ein paar Jahre ist das schon her, die Titelgeschichte handelte von Neugierde und wie man mit diesem Gefühl gut durchs Leben kommt. SZ-Magazin-Redakteur Marc Baumann hatte dann die wirklich tolle Idee, auf das Titelbild einfach nur eine Telefonnummer zu schreiben, gar nicht das Thema anzukündigen. Wer immer Lust hatte zu erfahren, wo man wohl rauskommt, wenn man die Nummer wählt, war neugierig, war also direkt im Thema. Wir haben uns in der Redak­tion abgewechselt mit Telefondienst an jenem Erscheinungstag des Magazins. Den ganzen Tag klingelte der Apparat im Sekretariat, es kam zu wirklich lustigen Szenen – Redakteur Till Krause hatte zum Beispiel seine eigene Mutter am Telefon, die neugierig nachfragen wollte, was es wohl mit dieser Nummer auf sich habe. Eine andere Kollegin berichtete von einer Leserin, die Stein und Bein schwor, dass sich hinter dieser Nummer ein Hand­werkerbetrieb verbergen müsse, sie habe die Nummer ja schließlich selber auf das Magazin gekritzelt, wir konnten ihr den Irrtum schließlich noch ausreden. Auf jeden Fall war dieses Titelbild ein gelungenes Beispiel für kreativen und dennoch lebensnahen Magazin-Journalismus.

Anbei meine persönlichen Lieblings-Cover aus den vergangenen zehn Jahren SZ-Magazin. Schreiben Sie mir gerne, wenn Sie ganz andere Favoriten haben, Anmerkungen oder Fragen zu unseren Titelseiten oder noch was ganz anderes auf dem Herzen (Timm.Klotzek@sz-magazin.de).

Timm Klotzek

Seit 2012 Chefredakteur des SZ-Magazins – gemeinsam mit Michael Ebert. Davor entwickelten die beiden für Gruner + Jahr NEON und NIDO. Auch beim SZ-Jugend­magazin jetzt arbeiteten sie zusammen.